Freitag, 26. Februar 2016

Treffen, das siebte! - 04. Februar 2016

Trotz Prüfungsphase haben es zum Glück die meisten von uns zu unserem 7. Treffen geschafft. Voller Begeisterung haben wir dieses Mal eine "Ideenwerkstatt" auf die Beine gestellt. Im vorherigen Treffen hatten wir uns darüber verständigt, für welche Themen wir uns interessieren und wer diese Themen vorbereiten würde. Im Team oder allein hatte man die Aufgabe, sich zu überlegen, wie man innerhalb von 40 Minuten die anderen informieren, begeistern oder sensibilisieren kann. Jeder konnte sich entscheiden, bei welchen Themen man dabei sein wollte (siehe Bild). Da alles durchaus interessant für uns ist, musste auch eine Ergebnissicherung stattfinden, sodass sowohl die, die anwesend waren, als auch die, die nicht dabei sein konnten, im Nachhinein etwas hatten, um nicht völlig planlos zu bleiben. So konnten wir nach unserer obligatorischen Begrüßungsrunde (diesmal: "Was machst du, um runterzukommen?") gleich mit den ersten zwei parallel laufenden Themenblöcken starten.  



Ariane und Alina haben uns (grundlegende) Informationen über Waldorfschulen als Schulform gegeben. So haben wir zum Beispiel erfahren, dass Waldorfschulen fast ausschließlich aus Initiativen von Eltern und Lehrern entstehen. Auch deshalb kann man an diesen Schulen eine sehr enge Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten erkennen. Rudolf Steiner war "verantwortlich" für die erste Waldorfschule (1919), die für die Kinder der Arbeiter der Zigarettenfabrik Waldorf Astoria (daher der Name!) gegründet wurde. Auf ihm beruht auch heute noch das (Grund-) Konzept, bei dem jede Schule entscheiden kann, inwieweit sie die ursprünglichen Ideen umsetzt. Die Gestaltung des Unterrichts ist sehr an der (körperlichen und geistigen) Entwicklung der Kinder orientiert. Eine Besonderheit, die bei jeder Schule anzutreffen ist, ist beispielsweise der Epochenunterricht: Über einen bestimmten Zeitraum (meist 3-4 Wochen) werden zusammenhängende Themen eines Faches behandelt. Es folgten viele weitere interessante Fakten und Beispiele und in null Komma nichts waren die vorgesehenen 40 Minuten vorüber. Natürlich haben sich während des kleinen Vortrags Fragen entwickelt, die wir zusammen (und mithilfe des Internets) beantwortet und besprochen haben. Alina, die persönliche Erfahrungen mit Waldorfschulen in Australien gesammelt hatte, hat Anschauungsmaterial mitgebracht und konnte ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern. In Windeseile mussten wir uns also der Ergebnissicherung widmen - gemeinsam haben wir (mehr oder weniger) ein Akronym zu "Walddorf" (siehe Foto) erstellt. Auf diese Weise haben wir das vorher Gehörte noch mal reflektieren können: Welche Stichworte sind uns in Erinnerung geblieben? Was muss im Zusammenhang mit "Waldorfschule" genannt werden? 

Beim zweiten Themenblock hatte ich mich mit Patty auf das Thema "Inklusion" vorbereitet. Mit einer kleinen PowerPoint-Präsentation und einem Handout haben wir im Schnelldurchlauf die Entwicklung hin zur Inklusion vorgestellt, damit alle die gleiche Basis für die folgende Diskussion hatten. Nach dem Motto "in der Kürze liegt die Würze" kommt hier ein kleiner Umriss unseres Inputs: 
- Mit der UN-Behindertenrechtkonvention von 2006 wurde Inklusion als Menschenrecht anerkannt. Dazu zählt, dass Menschen mit Behinderung als "vollwertige Bürger der Gesellschaft" anerkannt werden (sollen). 
- Die Entwicklung hin zur Inklusion war sehr langwierig (siehe Bild). Gerade in Deutschland wurde zu Beginn keine konkrete Trennung zwischen den Begriffen "Integration" und "Inklusion" vorgenommen. Markierender Unterschied ist, dass bei der Inklusion, Menschen mit Behinderung ihren "Sonderstatus" verlieren - sie sind wie jeder andere Mensch ein Individuum mit Stärken und Schwächen. Hier muss sich das System anpassen, denn jeder ist, egal welche Voraussetzungen er oder sie mitbringt, ein gleichwertiger Teil aller gesellschaftlichen Bereiche. Bei der Integration hingegen werden Menschen mit Behinderung "abgestempelt" und mehr oder weniger an das "normale" gesellschaftliche Leben "angepasst" (und nicht umgekehrt).
- Gerade im Bereich der Schule findet man viele Diskussionen rund um das Thema Inklusion. Bei einer inklusiven Schule wird Heterogenität als Normalität angesehen und diese Vielfalt wird wertgeschätzt, mit dem Ziel, jedem die bestmögliche Förderung zukommen zu lassen. 
In die Diskussion sind wir mit zwei Hauptfragen gegangen: "Gibt es Grenzen für Inklusion?" und "Wie kann Inklusion gelingen bzw. woran scheitert sie?" Da hier kein Raum besteht, um die komplette Diskussion niederzuschreiben, nur ein paar (geäußerte) Gedanken, die zum weiteren Nachsinnen anregen können: 
- Es gibt bisher kein (pädagogisches) Konzept, das zeigt, wie Inklusion funktioniert.
- Inklusion in Schulen ist eine Frage des Geldes, weil meistens das Geld fehlt, um Strukturen zu schaffen und/oder Mittel zu besorgen, um Inklusion effektiv umsetzen zu können. Es kommt einem so vor, als würde die Regierung mit Inklusion Geld sparen wollen und deshalb keine zusätzlichen Lehrkräfte, (Sonder-) Pädagogen u.a. an die Seite des Lehrers stellen. Dabei sollte man auf keinem Fall allein vor einer (inklusiven) Klasse stehen müssen.
Inklusiver Unterricht ist auch eine Frage des Selbstbewusstseins des einzelnen Lehrers und der Ausbildung, weil sich vielleicht viele einen "guten" Umgang mit Inklusion nicht zutrauen und sich vor allem Sorgen um die leistungsstärkeren SchülerInnen (und deren Entwicklung, wenn man sich vermehrt den Leistungsschwächeren widmet) machen.
- Ein großes Problem ist die fehlende Wertschätzung gegenüber Kindern mit Förderbedarf. Ist es aber gerade deswegen nicht wichtig, dass Inklusion so früh wie möglich beginnt, damit alle lernen damit umzugehen
- Man Kindern kann nicht vorschreiben, wie sie sich verhalten sollen.
- Vorbereitung im Studium (oder in Fortbildungen) ist bei Weitem (noch) nicht ausreichend. Lehrkräfte, die unsicher sind und nicht wissen, wie sie (re-) agieren sollen, können sich schnell überfordert fühlen und "blockieren".

Nach diesen zwei inputreichen Themenblöcken hatten wir uns eine Pause reichlich verdient. Schon lange hatten wir die Idee mit uns herumgetragen, uns Pizza zu bestellen, um den großen Hunger, der uns manchmal überfällt, angemessen zu stillen. In diesem Treffen konnten wir uns das endlich einrichten. Im Vorfeld hatten wir eine Sammelbestellung aufgegeben und pünktlich um 17.45 Uhr wurden uns die Pizzen angeliefert. Gesättigt und mit neuer Kraft starteten wir nun in die letzte Phase der Ideenwerkstatt. 

Eva, Ariane und ich haben uns gemütlich in eine Sofaecke gesetzt und Cristina erzählte uns etwas über Ansätze im bilingualen Unterricht. Sie gab uns viele wichtige Hinweise und zeigte uns sehr viel Materiel, dass man für den (späteren) eigenen Unterricht verwenden konnte. Hier entwickelte sich auch ein lockeres, sehr interessantes Gespräch, denn Eva konnte beispielsweise von eigenen Erfahrungen, die sie an einer zweisprachigen Schule gesammelt hatte, berichten. Zusätzlich beschrieb Ariane ein Schülerprojekt ihrer Schule, bei dem zweisprachig über politische Themaen debattiert wurde.


Unser Nachmittag war von vollem Erfolg gekrönt. In kleinen Gruppen haben wir viel Neues gelernt, Bekanntes ausgetauscht, Interessantes gehört und zum Schluss waren wir voll gepackt aber glücklich. Es hat sich wieder gezeigt, dass wir eine tolle Gruppe sind, die super zusammen arbeiten kann, dabei schöne Gespräche entwickelt und Ergebnisse hervorbringt. 

Mittwoch, 24. Februar 2016

Treffen, das sechste! - 21. Januar 2016

Wie in der vorherigen Sitzung haben wir auch diesmal wieder einen Gast erwartet. Herr Fehmers, ehemaliger Lehrer an der Heinrich-von-Stephan Gemeinschaftsschule in Berlin Moabit, hat uns mit seinem Besuch eine Möglichkeit gegeben, Fragen rund um das Thema "Wie wird aus einer 'Krisenschule' eine 'gute Schule'?" aus erster Hand beantwortet zu bekommen. Im Vorfeld hatten wir uns Fragen überlegt (auch auf Grundlage eines Artikels der Berliner Zeitung), die uns interessieren würden, sodass sich Herr Fehmers darauf vorbereiten konnte. 

Vorab hat uns Ariane aber noch einen kurzen Überblick über die Historie der Heinrich-von-Stephan Schule verschafft, damit wir alle auf dem gleichen Stand waren. Lange Zeit war diese Schule (damals noch Hauptschule) als "Restschule" angesehen worden, an der die "schlechten" ProblemschülerInnen unterrichtet wurden, die keine andere Schule aufnehmen wollte. Letztlich war die Polizei oft wegen diverser Streitigkeiten unter SchülerInnen und anderen Problemen in der Schule. Zudem war das Kollegium eher jung und neu und konnte daher auf wenig Erfahrung zurückblicken. All diese Faktoren führten schließlich zu einer Überforderung und der Einsicht, dass es so nicht weiter gehen konnte. Mit dem Beginn der Umstrukturierung und des Umdenkens in der Schule, waren die fünf folgenden Ziele leitendend: eine angenehme Arbeitsatmosphäre, Möglichkeit zum Schulabschluss, SchülerInnen übernehmen Verantwortung, Einheits-/Gemeinschaftsschule sowie ein pragmatisches Vorgehen. 

Nach dieser kurzen Einführung haben wir das Wort an Herrn Fehmers übergeben, der uns zuerst einige wichtige "Mottos" mit auf den Weg geben wollte. Darunter waren zum Beispiel folgende:
- "Fragen, versuchen, Korrekturen vornehmen"
- perfekte SchülerInnen gibt es nicht, denn niemand ist perfekt
- zusammen ist besser als alleine
- die Schuld für Versagen nie bei den SchülerInnen suchen

Da wir nur ein relativ enges Zeitfenster zur Verfügung hatten, haben wir vorerst, von etwaigen Verständnisfragen abgesehen, nur den "puren" Input von Herrn Fehmers mitgenommen. Als erstes sind wir thematisch mit Allgemeinem zur Entwicklung der Heinrich-von-Stephan Schule eingestiegen. Unter anderem ging es darum, welche Bedingungen förderlich oder hinderlich sind, um eine Schule weiterzuentwickeln. Dazu meinte Herr Fehmers, dass es weniger auf die Bedingungen ankommt, auch weil die sehr verschieden und schwer zu beschreiben sind, sondern man sollte sich eher fragen, welches Ziel man haben muss. Dieses Ziel sollte es ganz klar sein, dass die SchülerInnen zufrieden und sinnvoll Zeit in der Schule verbringen. Die Schulleitung spielt bei einem Schulentwicklungsprozess je nach der vorherrschenden Struktur der Schule eine unterschiedliche Rolle. Generell gilt aber, dass die Schulleitung nicht dominieren und bestimmen darf, sondern unterstützend wirken soll und für die Repräsentation nach außen zuständig ist. Denn nur wenn sich eine Mehrheit unter den KollegInnen findet, kann man wirklich etwas bewegen. Das setzt auch voraus, dass der Lehrerschaft genug interner Diskussionsraum gelassen und geschaffen wird. In diesen Bereich zählt auch die Haltung der LehrerInnen. Man sollte sich weniger als LehrerIn für ein Fach, sondern mehr als LehrerIn für die SchülerInnen sehen. Schließlich steht an erster Stelle die Schülerschaft und die haben oft Lebensprobleme, die den Lernproblemen immer voran gestellt sein werden. 

Konkret auf den Entwicklungsprozess, den die Heinrich-von-Stephan-Schule durchlaufen hat, bezogen, lassen sich einige grundlegende Veränderungsschritte hervorheben. Dazu zählt der Schulformwechsel von einer Haupt- und Realschule hin zu einer Gemeinschaftsschule. Auch das Kollegium, das sich durch ein professionell gutes Verhältnis (Nähe und Distanz wahren und sich die Meinung sagen können) auszeichnete, hat kleinschrittig mit dem Austausch von Unterrichtsmaterialien zwischen einigen LehrerInnen den Veränderungsprozess begonnen und u.a. durch die Entwicklung von Standards für alles LehrerInnen fortgeführt. Rückblickend erkennt man auch in dieser Schulbiographie, dass die pädagogische Arbeit die Basis für alles andere darstellt. Verändert hat sich zum Beispiel auch die Haltung zu Regeln: Statt vielen Regeln, die sowieso niemand alle einhalten kann, wurden wenige Regeln ein- und durchgesetzt. Dabei hat sich herauskristallisiert, dass es wichtig ist, egal bei welcher Art von Veränderung, sich selbst eine Frist zu setzen, dann folgt eine Evaluation, damit man entscheiden kann, ob die neue Regel wieder abgeschafft, beibehalten oder modifiziert werden muss. Auch das Lernangebot hat sich verändert: So spielte der Rahmenlehrplan immer weniger eine Rolle und diverse Projekte und alternative Konzepte wurden ausprobiert. Es gibt beispielsweise Lernpaten, eine Lernwerkstatt (siebenstündig und innerhalb der Unterrichtswoche) oder eine Zusammenarbeit mit Firmen etc. Auch die "Woche der Herausforderung", bei der die SchülerInnen ein eigenes Projekt selbst planen und durchführen, kam in diesem Zuge zur Sprache. Wichtig bleibt aber, wenn man zu viel macht, hat man für vieles keine Zeit mehr. Deswegen ist es unabdingbar, sich festzulegen und in diesem Bereich dann mit vollem Elan zu agieren.

Zum Schluss unserer Gesprächsrunde blieb leider keine Zeit für eine Diskussion, dafür haben wir aber noch zwei kurze Fragen stellen können. Auf die erste Fragen, was uns am besten auf den Lehrerberuf vorbereiten kann bzw. was er uns für unsere Ausbildung mitgibt, hat Herr Fehmers geantwortet, dass wir bei unserer Lernreise so viele gute Aspekte sehen werden und wir uns daher schon jetzt eigene Kritierien aufstellen können, was eine Schule für uns als Person haben muss, damit wir dort unterrichten wollen. Ebenso, dass in der Schule nichts wesentlich neu erfunden wird und man nie eine sofortige Lösung erwarten kann, hat er uns mit auf den Weg gegeben. Die zweite Frage, für welches Ritual Herr Fehmers als Lehrer bekannt war, beantwortete er mit einem kurzen (den Unterricht) "überziehen". Abschließend hat er noch einmal deutlich gesagt, dass am Ende die Kleinigkeiten (die natürlich in etwas Großes eingebettet sind) von Bedeutung sind. Das heißt, es Bedarf nicht immer einer Rundumveränderung, auch kleine, aber sinnvolle Änderungen können einen in eine andere Richtung führen. Also: Nicht verzagen, sondern kleine Schritte wagen.