Dienstag, 9. Februar 2016

Treffen, das fünfte! - 07. Januar 2016

Zum ersten Treffen im Jahr 2016 hatten wir Frau Dr. Lohwaßer zu Gast. Sie ist die Leiterin des Zentrums für Lehrerbildung und Bildungsforschung (ZeLB) an der Universität Potsdam und hat natürlich auch gleich an unserer Begrüßungsrunde "Was war dein schönstes Ferienerlebnis?" teilgenommen, um uns dann nahtlos in ihren thematischen Beitrag zur "Konfliktbewältigung" mitzunehmen. Vorn weg war klar, dass sie uns nur einen kleinen Einblick, sozusagen eine Prise zum Schnuppern, bieten konnte, alles andere hätte - leider - den Rahmen gesprengt. Wir waren aber genau deshalb umso begieriger auf das, was sie uns über das Kommunikationstraining nach Thomas Gordon (bezogen auf Konflikte in der Schule) zu erzählen hatte

In der Einleitung haben wir etwas über die Basis des Kommunikationstrainings erfahren. Es fiel zum Beispiel das zentrale Wort "Annahmelinie". Indem man entscheidet, welches Verhalten man toleriert und welches nicht, weist man dem Verhalten (in dieser Situation) einen bestimmten Platz innerhalb eines imaginären Rahmens zu. Annehmbares/toletierbares Verhalten befindet sich oberhalb der Annahmelinie, darunter sammelt sich alles, was man als störend und nicht tolerierbar empfindet. Die Höhe dieser Linie ist nicht immer gleich, sie hängt beispielsweise davon ab, wie man sich fühlt oder wo man sich befindet. Und auch wer man ist spielt eine Rolle, denn jeder hat von Grund auf eine unterschiedliche Einstellung bzw. Meinung zu verschiedenen Verhaltensweisen. In der Schule kann das unter Umständen zu Konflikten zwischen den Lehrern führen. Aufgrund von ungleichen Annahmelinien ergibt sich für die Schüler folglich je nach Lehrer ein unterschiedlich großer Handlungsspielraum, was Schüler selbstverständlich auszunutzen wissen. Psychologisch ist es jedoch unmöglich, dass alle Lehrer die gleiche Meinung haben. Man muss die Meinungen anderer auch nicht immer verstehen, sondern sie nur anerkennen, dabei darf - und muss - man seine Individualität aber natürlich beibehalten. Letztendlich muss man gemeinsam (sowohl innerhalb der Lehrerschaft als auch mit den Schülern zusammen) Richtlinien erarbeiten, die dann ausnahmslos für die Schule gelten. 

Anschließend folgte die Frage an uns, welche Verhaltensweisen Frau Dr. Lohwaßer hatte. Unsere Antworten waren: ruhig, spontan, entspannt und aufmerksam. Zwar traf das alles zu, doch, so betonte Frau Dr. Lohwaßer, waren dies keine Verhaltensweisen. Denn "Verhalten ist alles das, was man beobachten kann, was der andere sagt oder tut". Wir hingegen sind in unseren Antworten schon einen Schritt weiter gewesen, wir haben schon Interpretationen abgeliefert. In Konfliktsituationen sollte darauf verzichtet werden, Verhalten (direkt) zu interpretieren. Die Gefahr liegt bei der Möglichkeit von vorschnellen Verurteilungen (des Verhaltens), was Fehlanalysen/-interpretationen begünstigen kann und somit die Situation noch verschärfen oder anderweitig negativ beeinflussen könnte.

Außerdem ist es wichtig, Ironie in Konfliktsituationen zu vermeiden. Was sonst gern von jedermann gebraucht und auch witzig vom Gegenüber aufgenommen werden kann, führt in Konflikten eher zu nachteiligen Effekten. Das hat eine enge Verbindung mit dem Gebot, nie jemanden bloßzustellen. Deshalb sollte man in der Schule keine Konflikte im, sondern nach dem Unterricht, austragen. So bekommen die Mitschüler nicht explizit mit, worum es geht bzw. was besprochen wird und der Unterricht wird weniger gestört; schließlich kann so ein "Krisengespräch" sich auch mal in die Länge ziehen. 

Dazu kommt die Unterscheidung von "Wer hat das Problem?". Die Antwort auf diese Frage fungiert nämlich als Basis für das folgende Vorgehen. Wenn der Schüler das Problem hat, dann muss man aktiv zuhören. Das heißt, man muss den Schüler aussprechen lassen; durch Paraphrasierungen seiner Gefühle sowie der gesendeten Informationen kann man zum Kern des Problems vordringen. Es bringt demzufolge nichts, wenn man zwar ein Gespräch mit dem Schüler sucht, aber eigentlich keine Zeit (dafür) hat, denn zuzuhören ist essentiell! Andersrum, wenn der Lehrer das Problem hat, dann muss man konfrontieren und so vermitteln, um welches Problem es sich genau handelt, um daraufhin eine Lösung finden zu können.  

Auch bei Elterngesprächen gilt: aktiv zuhören! Und das so lange, bis die Emotionen runtergekühlt sind, sodass man Vorschläge oder Ratschläge, die beide Seiten gemeinsam erarbeiten sollten, anbringen kann. Kochen die Emotionen erneut hoch (z.B. fühlt sich ein Elternteil missverstanden in seinen Problemen oder kann nicht nachvollziehen in welche Richtung ein Vorschlag abzielen soll), ist wieder aktives Zuhören anzuwenden, bis erneut eine ruhige Grundlage für das weitere Gespräch geschaffen worden ist. Um solch eine entspannte Gesprächsatmosphäre herzustellen, kann man zum Beispiel dafür sorgen, sich nicht gegenüber, sondern eher nebeneinander zu sitzen, weil das die Möglichkeit zum Ausweichen gibt, man aber trotzdem einander zugewandt reden kann.  

Ein Vorteil vom aktiven Zuhören liegt auch darin, dass man durch die Verbalisierung von Gefühlen, Gedanken, etc. des Gegenübers sofort vom Erzählenden berichtigt wird, wenn man nicht den Kern der Aussage trifft. Nicht zu vernachlässigen sind aber auch die Phasen des Stillschweigens bzw. des passiven Zuhörens während der andere spricht. Letzten Endes liegt das Ziel ja darin, herauszubekommen, wo genau das Problem liegt und dafür gilt: ausreden lassen! Fragen können in dieser Situation regelrechte Kommunikationssperren darstellen, weil sie den Erzählenden in eine bestimmte Richtung lenken (wenn auch unbewusst) und außerdem den Redefluss stören. Damit einher geht ein weiterer wichtiger Punkt, wenn es um die richtige Vorgehensweise in konfliktgeladenen Gesprächen geht: Aufmerksamkeit. Man muss Interesse haben zu erfahren, was das Problem ist, und dies muss man auch offen zeigen. Man muss die Gefühle des anderen nachvollziehen, darf sie aber nicht übernehmen; das kann mitunter eine ziemliche Gratwanderung werden ... Das bedeutet auch, es ist nichts falsches daran, wenn man im Augenblick keine Zeit (mehr) hat, mehr noch, es ist wichtig zu signalisieren, wenn man nicht mehr zuhören kann. Sonst wird das ganze Unterfangen nicht richtig angegangen und kann gegebenenfalls nach hinten losgehen. Denn wenn sich der Erzählende nicht ernst genommen fühlt, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sich das Problem/die Konfliktsituation noch zuspitzt.

Nach der großen Menge an Input folgte für uns noch eine kleine Übung. Frau Dr. Lohwaßer hat eine Geschichte erzählt und wir waren der Reihe nach dran mit aktivem Zuhören, d.h. der aktuelle Abschnitt des eben Gesagten sollte verbalisiert werden. Dabei kamen noch ein paar Richtlinien zu Tage, an die wir uns (in Zukunft) halten sollten. Darunter zum Beispiel: Fragen wie "Was hättest du getan?" nicht beantworten, sondern weiterhin aktiv zuhören, also nicht direkt auf die Frage eingehen/sie beantworten, sondern die Gefühle, die mitschwingen bzw. mitgeschwungen sind, auffangen und zusammen mit dem Kern des Gesagten in eigene Worte fassen (Gefühl und Information!). Die eigenen Gedanken muss man dabei außen vor lassen, Vorausdenken oder "vermutliche" Interpretationen sind kein Teil des aktiven Zuhörens. Das klingt schwierig, ist es auch - aktiv zuhören will gelernt sein!  

Bei einer Konfrontation verschiebt sich das Verhalten ein wenig, weil man seinen eigenen Standpunkt anbringt und sicherstellen will, dass dieser auch verstanden wird. Eine Konfrontation bei Bedürfnis- oder Interessenkonflikten ist unabdingbar (wenn die Annahmelinie unterschritten wird), bei Wertekonflikten (z.B. Tragen von Mützen im Unterricht) funktioniert sie nicht immer, man handelt sozusagen im Rahmen einer Fifty-fifty-Chance. Im Vorfeld ist es daher notwendig, sich genau zu überlegen, ob man sich wirklich so sehr gestört fühlt, dass man es anspricht. Wenn ja, sollte man selbst immer Vorbild sein. Im Endeffekt muss man den eigenen Anspruch verdeutlichen. Dabei sollte man in Konfliktsituationen mit Schülern immer hervorheben, dass man (wirklich!) möchte, dass die Schüler etwas lernen. Als besonders praktisch dafür erweist sich die dreiteilige Ich-Botschaft:
1. Gefühl: Ich fühle mich ...
2. Verhaltensbeschreibung: ... wenn du ...
3. Konsequenzen (für mich): ... weil (...) dann ...

Unterstützt von einer PowerPoint und lebendigen Beispielen haben wir in dieser Sitzung viel gelernt und viel mitgenommen. Leider hatten wir wie immer wenig Zeit. Die Zeit, die uns zu Verfügung stand, haben wir aber effektiv genutzt, daher war auch dieses Treffen, wie die vorherigen, ein voller Erfolg. Und wir wurden auf jeden Fall zum Nachdenken angeregt, wie wir in der nächsten Konfliktsituation agieren könnten ...



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