Mittwoch, 24. Februar 2016

Treffen, das sechste! - 21. Januar 2016

Wie in der vorherigen Sitzung haben wir auch diesmal wieder einen Gast erwartet. Herr Fehmers, ehemaliger Lehrer an der Heinrich-von-Stephan Gemeinschaftsschule in Berlin Moabit, hat uns mit seinem Besuch eine Möglichkeit gegeben, Fragen rund um das Thema "Wie wird aus einer 'Krisenschule' eine 'gute Schule'?" aus erster Hand beantwortet zu bekommen. Im Vorfeld hatten wir uns Fragen überlegt (auch auf Grundlage eines Artikels der Berliner Zeitung), die uns interessieren würden, sodass sich Herr Fehmers darauf vorbereiten konnte. 

Vorab hat uns Ariane aber noch einen kurzen Überblick über die Historie der Heinrich-von-Stephan Schule verschafft, damit wir alle auf dem gleichen Stand waren. Lange Zeit war diese Schule (damals noch Hauptschule) als "Restschule" angesehen worden, an der die "schlechten" ProblemschülerInnen unterrichtet wurden, die keine andere Schule aufnehmen wollte. Letztlich war die Polizei oft wegen diverser Streitigkeiten unter SchülerInnen und anderen Problemen in der Schule. Zudem war das Kollegium eher jung und neu und konnte daher auf wenig Erfahrung zurückblicken. All diese Faktoren führten schließlich zu einer Überforderung und der Einsicht, dass es so nicht weiter gehen konnte. Mit dem Beginn der Umstrukturierung und des Umdenkens in der Schule, waren die fünf folgenden Ziele leitendend: eine angenehme Arbeitsatmosphäre, Möglichkeit zum Schulabschluss, SchülerInnen übernehmen Verantwortung, Einheits-/Gemeinschaftsschule sowie ein pragmatisches Vorgehen. 

Nach dieser kurzen Einführung haben wir das Wort an Herrn Fehmers übergeben, der uns zuerst einige wichtige "Mottos" mit auf den Weg geben wollte. Darunter waren zum Beispiel folgende:
- "Fragen, versuchen, Korrekturen vornehmen"
- perfekte SchülerInnen gibt es nicht, denn niemand ist perfekt
- zusammen ist besser als alleine
- die Schuld für Versagen nie bei den SchülerInnen suchen

Da wir nur ein relativ enges Zeitfenster zur Verfügung hatten, haben wir vorerst, von etwaigen Verständnisfragen abgesehen, nur den "puren" Input von Herrn Fehmers mitgenommen. Als erstes sind wir thematisch mit Allgemeinem zur Entwicklung der Heinrich-von-Stephan Schule eingestiegen. Unter anderem ging es darum, welche Bedingungen förderlich oder hinderlich sind, um eine Schule weiterzuentwickeln. Dazu meinte Herr Fehmers, dass es weniger auf die Bedingungen ankommt, auch weil die sehr verschieden und schwer zu beschreiben sind, sondern man sollte sich eher fragen, welches Ziel man haben muss. Dieses Ziel sollte es ganz klar sein, dass die SchülerInnen zufrieden und sinnvoll Zeit in der Schule verbringen. Die Schulleitung spielt bei einem Schulentwicklungsprozess je nach der vorherrschenden Struktur der Schule eine unterschiedliche Rolle. Generell gilt aber, dass die Schulleitung nicht dominieren und bestimmen darf, sondern unterstützend wirken soll und für die Repräsentation nach außen zuständig ist. Denn nur wenn sich eine Mehrheit unter den KollegInnen findet, kann man wirklich etwas bewegen. Das setzt auch voraus, dass der Lehrerschaft genug interner Diskussionsraum gelassen und geschaffen wird. In diesen Bereich zählt auch die Haltung der LehrerInnen. Man sollte sich weniger als LehrerIn für ein Fach, sondern mehr als LehrerIn für die SchülerInnen sehen. Schließlich steht an erster Stelle die Schülerschaft und die haben oft Lebensprobleme, die den Lernproblemen immer voran gestellt sein werden. 

Konkret auf den Entwicklungsprozess, den die Heinrich-von-Stephan-Schule durchlaufen hat, bezogen, lassen sich einige grundlegende Veränderungsschritte hervorheben. Dazu zählt der Schulformwechsel von einer Haupt- und Realschule hin zu einer Gemeinschaftsschule. Auch das Kollegium, das sich durch ein professionell gutes Verhältnis (Nähe und Distanz wahren und sich die Meinung sagen können) auszeichnete, hat kleinschrittig mit dem Austausch von Unterrichtsmaterialien zwischen einigen LehrerInnen den Veränderungsprozess begonnen und u.a. durch die Entwicklung von Standards für alles LehrerInnen fortgeführt. Rückblickend erkennt man auch in dieser Schulbiographie, dass die pädagogische Arbeit die Basis für alles andere darstellt. Verändert hat sich zum Beispiel auch die Haltung zu Regeln: Statt vielen Regeln, die sowieso niemand alle einhalten kann, wurden wenige Regeln ein- und durchgesetzt. Dabei hat sich herauskristallisiert, dass es wichtig ist, egal bei welcher Art von Veränderung, sich selbst eine Frist zu setzen, dann folgt eine Evaluation, damit man entscheiden kann, ob die neue Regel wieder abgeschafft, beibehalten oder modifiziert werden muss. Auch das Lernangebot hat sich verändert: So spielte der Rahmenlehrplan immer weniger eine Rolle und diverse Projekte und alternative Konzepte wurden ausprobiert. Es gibt beispielsweise Lernpaten, eine Lernwerkstatt (siebenstündig und innerhalb der Unterrichtswoche) oder eine Zusammenarbeit mit Firmen etc. Auch die "Woche der Herausforderung", bei der die SchülerInnen ein eigenes Projekt selbst planen und durchführen, kam in diesem Zuge zur Sprache. Wichtig bleibt aber, wenn man zu viel macht, hat man für vieles keine Zeit mehr. Deswegen ist es unabdingbar, sich festzulegen und in diesem Bereich dann mit vollem Elan zu agieren.

Zum Schluss unserer Gesprächsrunde blieb leider keine Zeit für eine Diskussion, dafür haben wir aber noch zwei kurze Fragen stellen können. Auf die erste Fragen, was uns am besten auf den Lehrerberuf vorbereiten kann bzw. was er uns für unsere Ausbildung mitgibt, hat Herr Fehmers geantwortet, dass wir bei unserer Lernreise so viele gute Aspekte sehen werden und wir uns daher schon jetzt eigene Kritierien aufstellen können, was eine Schule für uns als Person haben muss, damit wir dort unterrichten wollen. Ebenso, dass in der Schule nichts wesentlich neu erfunden wird und man nie eine sofortige Lösung erwarten kann, hat er uns mit auf den Weg gegeben. Die zweite Frage, für welches Ritual Herr Fehmers als Lehrer bekannt war, beantwortete er mit einem kurzen (den Unterricht) "überziehen". Abschließend hat er noch einmal deutlich gesagt, dass am Ende die Kleinigkeiten (die natürlich in etwas Großes eingebettet sind) von Bedeutung sind. Das heißt, es Bedarf nicht immer einer Rundumveränderung, auch kleine, aber sinnvolle Änderungen können einen in eine andere Richtung führen. Also: Nicht verzagen, sondern kleine Schritte wagen.

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