Mittwoch, 20. April 2016

Reflexionswochenende in Tübingen - Tag 3

Sonntag, der 6. März 2016

Der letzte und für Entspannung eingeplante Tag in Tübingen begann genau so: entspannt. Doch auch wenn jeder aufstehen konnte, wann er/sie es für richtig hielt, fand sich der Großteil der Lernreisenden gegen 10 Uhr zu einem englischen Frühstück ein. Durch die unterschiedlichen Abendplanungen am Vortag entwickelte sich diese als Frühstück geplante Mahlzeit mehr und mehr zum Brunch, da so langsam auch die Mitreisenden wieder zum Leben erwachten, die die Nacht für eine Erkundung Tübingens genutzt hatten.
Nachdem das gemeinsame Essen genutzt wurde, um das Erlebte mit der Gruppe zu teilen, machte sich ein kleiner Teil der Lernreisenden, zu einer kurzen Wanderung im Tübinger Umland auf. Auf dem Weg zum eigentlichen Ziel, machten wir kurz an riesenhaften Bäumen Halt, denen die Bilder nicht gerecht werden können, da sich durch den Größenunterschied Mensch und Baum auf einem Bild nur schwer sinnvoll vereinen ließen (siehe Bild links).




Als wir zum tatsächlichen Ziel kamen, waren wir von der Aussicht (siehe Bild rechts) begeistert, auch wenn es für die Wanderbegeisterten unter uns, nicht ganz so klar verständlich war, warum die Ortsansässigen unser Wanderziel zum größten Teil motorisiert erreicht zu haben schienen. Doch allzu lange konnten wir das Panorama nicht genießen, da sich auch diese Gruppe erneut zersplitterte, um zum Schulmuseum in Kornwestheim, ca. 15 km vor Stuttgart, zu gelangen.

 
Dort angekommen wurden wir von der Museumsführerin zuerst einmal im ortsüblichen Dialekt darauf hingewiesen, dass es sich hier um die Schulgeschichte von Würtenberg und nicht die von Baden-Würtenberg handelt. Zuerst wurde uns die Geschichte an sich näher gebracht sowie der Einfluss der Reformpädagogik und der Religion für das Schulsystem erläutert. Im Anschluss wurden wir in ein antikes Klassenzimmer geführt, das durch seine, für die dritte Klasse ausgelegten, Sitzmöglichkeiten, die großzügiger dimensionierten Gefährten an den Rand der Durchblutung brachten. Nach einem gerafften, aber äußerst informativen Vortrag über den Schulalltag und der Möglichkeit, sich an Schiefertafeln mit Griffeln in Sütterlin auszuprobieren (siehe Bild), schälten sich die Lernreisenden wieder aus den als Möbel getarnten Folterwergzeugen, um bei einem kurzen Gang zu der Museumsecke mit den historischen Sanktionen wieder Blut und damit Gefühl in die Extremitäten zu lassen. Doch da wir dann Strafen wie auf einem Holzscheit knien oder den Hosenboden mit einem Rohrstock versohlt bekommen „ausprobieren“ sollten, war diese Freude nur kurzweilig. Natürlich wurde von allen Beteiligten enorm darauf geachtet, dass diese Sanktionierungsmaßnahmen nur angedeutet wurden und niemand sich unwohl fühlen musste. Trotzdem wurde das beklemmende Gefühl deutlich, das durch diese Strafen der damaligen Zeit ausgelöst wurde. Das Schulmuseum war ein äußerst lohnenswerter Ausflug, der es schaffte, die aktuellen reformpädagogischen Ansätze in einen weiteren Kontext zu setzen.

Zurück in Tübingen wurde der Tag jedoch weniger individuell beendet, weil wir es am Vortag nicht geschafft haben, die letzte Reflexion abzuschließen, mussten die bereits erstellten Plakate nun vor dem Abendessen noch vorgestellt werden. Nach einer schnellen Besprechung innerhalb der Gruppen wurden die Präsentationen wieder bravourös gemeistert. Da es am nächsten Morgen leider schon Zeit für die Abreise war, gingen die meisten Lernreisenden recht früh schlafen, schließlich musste die Unterkunft auf die Ankunft der Besitzer vorbereitet, d.h. wieder hergerichtet, werden musste. 

Reflexionswochenende in Tübingen - Tag 2

Samstag, der 5. März 2016

Wie auch schon der vorhergehende Tag begann auch unser zweiter Tag in Tübingen mit einem gemütlichen, gemeinsamen Frühstück. Bei diesem wurde nicht nur voller Vorfreude der anstehende Tag besprochen, sondern auch die verbale Wiederholung der Highlights des Spieleabends sorgten (zusammen mit den unglaublich leckeren von Andy und Christian gezauberten Apfel-Bananen-Pfannkuchen) erneut zielsicher für eine deutliche Erhebung der Grundstimmung.
So positiv vorbereitet machten wir uns zu Fuß auf zum Reflexionsraum, der in der Dietrich-Bonhoeffer-Kirche gelegen war. Dort begannen die Reflexionen nach demselben Ablauf/derselben Vorgehensweise wie auch schon am Tag zuvor. Nach dem Clustering all dessen, die uns in Verbindung mit der Walddorschule Wiesbaden beschäftigt haben (siehe Bild), haben wir uns in Kleingruppen aufgeteilt und dann in verschiedene Ecken des Raumes zurückgezogen, um uns gegenseitig möglichst wenig zu stören. Mit jeder Menge Elan und Diskussionsbereitschaft haben wir die übergeordneten Themen bearbeitet und das Resultat unserer Überlegungen auf einem Plakat festgehalten.




















Erneut war es fast schon schockierend, wie kreativ die einzelnen Gruppen ihre teilweise doch recht unspektakulär wirkenden Inhalte aufbereitet haben. Nach den Präsentationen gab es vor Ort eine kleine Stärkung, die aus der Unterkunft mitgebracht wurde (Reste vom Vorabend und Brötchen mit Aufschnitt), um unsere Energiereserven wieder aufzufüllen. Im Anschluss an unser entspanntes Mittagessen haben Cristina und Andy für alle Interessierten einen Theaterworkshop auf die Beine gestellt. Gesättigt und gespannt, was kommen würde, hat sich ein Großteil der Gruppe nach einer kurzen Verschnaufpause wieder in dem Raum eingefunden, um dieses Engagement nicht ungenutzt zu lassen. 

Nachdem sich die Lernreisenden daran versuchen durften, Gegenstände mit nicht-linguistisch-relevanten Geräuschen aller Art zu beschreiben und den Raum im Blindflug zu erhören bzw. ertasten,  durften wir uns daran probieren, das Verhalten unbeseelter Objekte motorisch nachzuempfinden. Doch auch wenn es durch einen hohen Grad der Anthropomorphisierung zu spontanen Gefühlsausbrüchen kam, deren Erscheinung wiederum andere Lernreisende verwundert in die Runde blicken ließ, war dieser Workshop mehr als gelungen.
Anschließend wurde die Reflexion der vergangenen Tage fortgesetzt. Die nun letzte Schule, die Mali-Schule in Biberach, war Grundlage der inzwischen geübten Nachbereitungsprozedur. Das Clustering ergab auch diesmal verschiedene, zweifellos interessante und diskussionswürdige Themen, die einer Auseinandersetzung in Kleingruppen bedurfte. Nach einer sehr ausgiebigen Unterhaltung darüber, wie man die verbliebene Zeit möglichst effizient und vor allem produktiv nutzen könne (viele waren schon (sehr) erschöpft und unsicher, ob aufgrund dieses Gemütszustandes noch gute Ergebnisse hervorgebracht werden könnten), fanden wir uns doch alle noch einmal in Gruppen zusammen, um ein Plakat zu entwerfen, das alle wichtigen Informationen enthält. Durch den doch recht ausgiebigen Theaterworkshop mussten die Präsentationen jedoch, wie vorher abgestimmt, auf den folgenden Sonntag verschoben werden.

So fanden wir Lernreisenden uns erneut zu einem hervorragenden Abendessen zusammen, bei dem natürlich das gerade Erlebte in lockerer Runde erneut ausgewertet wurde. Da nun die Schulen der ersten Woche reflektiert waren, begannen sich die Gefährten bereits Gedanken zu machen, welches "Ding" nun gute Schule wirklich ausmacht. Es wurden die Essenzen der einzelnen Schulkonzepte verglichen, um dieses "Ding" zu finden, ein Ding, sie zu lehren, sie alle zu finden, ins Wissen zu treiben und ewig zu bilden! Die anschließende Abendgestaltung war jedoch weitaus individueller als am Vortag, so das jeder nach seinen Interessen und Bedürfnissen, die freie Zeit ausgiebig genießen konnte.

Reflexionswochenende in Tübingen - Tag 1

Freitag, der 4. März 2016




Der erste Tag unseres Reflexionswochenendes begann nach einer sehr erholsamen Nacht und einem ausgiebigen Frühstück damit, das wir uns auf den Weg zur Uni Tübingen machten, wo wir einen Reflexionsraum für diesen Tag zur Verfügung gestellt bekommen haben. Am Uni-Gelände angekommen, machten wir uns auf zu einer Odyssee über den Campus. Ganz wie es sich für die Generation Smartphone gehört, haben wir den Weg gegoogelt, deutlich wurde dabei, dass das "Karten-lesen-können" eine noch zu optimierende Kompetenz der Gefährten ist.
 
Am „Verschwörungsraum“ angekommen (kein Witz! Siehe Bild) machten wir uns auf die Suche nach dem einen "Ding", das gute Schule ausmacht, indem wir die in der Vorwoche erlebten Schulen Revue passieren ließen. Dafür haben wir in zwei Blöcken unsere Beobachtungen zu je einer Schule verglichen und in Sinnzusammenhänge gesetzt. Logischerweise haben wir die Reflexion in genau der gleichen Reihenfolge der Hospitationen durchgeführt, was bedeutet, dass wir uns an diesem Freitag mit der Jenaplan-Schule in Nürnberg und der Montessori-Schule in Landau beschäftigten. Zuerst haben wir eine mentale Zeitreise zurück zu dem Morgen gemacht, an dem wir die Schule besucht haben, dann haben wir uns alle unsere Notizen des Hospitationstages durchgelesen. Danach haben wir den "spannendsten Moment" mit unserem Sitznachbar geteilt. 
Die eigentliche Reflexions-"Arbeit" begann im Anschluss: Wir haben die Stichpunkte (Fragen und Themen, die uns beschäftigen), die wir direkt nach der Hospitation erstellt hatten zu Oberthemen zusammen geordnet bzw. wir haben sie "geclustert" (siehe Bild). Nachdem sichergestellt war, dass alle mit diesen Einteilungen einverstanden sind (indem das "Cluster-Team" das Ergebnis vorgestellt hat), haben wir uns in Gruppen zusammengefunden. Obwohl sich jede/r den Themen rein nach Interessen(-schwerpunkt) zuordnen sollte, kam es zu sehr ausgeglichenen Gruppen.






























Diese Gruppen haben dann zu ihrem Oberthema diskutiert und am Ende jeweils ein Plakat entworfen, welches am Ende vorgestellt wurde. Bei diesen Präsentationen kam es zu ausgesprochen vielfältigen Ansätzen, obwohl das Medium (Plakat) festgelegt/einheitlich war. Jede Gruppe fand einen individuellen Weg, das zu zeigende Konzept/die darzustellenden Gedanken (die aus der Diskussion entstanden waren) eindrucksvoll zu visualisieren. So gingen wir im Anschluss gut informiert (durch die anderen Gruppen) über die Sichtweisen, Konzepte etc. der Schule in die wohlverdiente Pause. 


Ein großer Teil unserer Lernreisegruppe ließ sich, vom schlechten Wetter unbeeindruckt, eine Stadtführung durch Tübingen mit anschließendem Falafel-Essen nicht entgehen. Der Rest der Gefährten machte sich, durch die anfängliche "Irrfahrt" in ihrem Vorhaben bestärkt, auf den Weg, die nun in der direkten Umgebung bereits von außen erkundeten Lokale auf ihre handwerklichen Fähigkeiten und Inneneinrichtungen hin zu testen. Frisch gestärkt fanden sich alle Lernreisenden nach und nach wieder im Verschwörungsraum ein, um auch die zweite Schule angemessen zu reflektieren.


Nachdem auch die letzten Truppenteile ihre Wegfindungsschwierigkeiten überwunden hatten, begannen wir erneut damit, wie bei der vorangegangenen Nachbereitungsphase, uns mental auf die Reflexion einzustimmen. Danach machten wir uns wieder daran, die bereits aufgeschriebenen Themen (und Fragen) zu sortieren (siehe Bild) und mit Hilfe von Aufzeichnungen, Erinnerungen etc. innerhalb der Gruppen auszuwerten. Nach einer weiteren, ebenfalls sehr informativen Präsentationsrunde der erarbeiteten Plakate, wurde der Raum in seinen Ursprungszustand versetzt, bevor der Heimweg angetreten wurde.





















In unserer Unterkunft angekommen gönnten wir uns ein ausgezeichnetes Abendessen. Danach hatten wir alle ein bisschen Freizeit, um ggf. Abstand zur Gruppe zu bekommen, ein wenig zur Ruhe zu kommen oder einfach mit ein paar Mitlernreisenden zu entspannen. (Drei von uns sind beispielsweise zu einem Theaterstück aufgebrochen.) In Aussicht war noch eine Gruppenaktivität für den späteren Abend, nämlich ein (von drei kreativen Köpfen organisierter) Spieleabend. Jedes dieser Spiele genossen wir in vollen Zügen.
  • Das "Tor der Liebe" war anfangs kompliziert zu verstehen, aber einfach durchzuführen: Ein Mitspieler wird rausgeschickt, die anderen stellen sich im Kreis, mit dem Rücken zur Kreismitte, auf, vorher wird abgemacht, welche zwei nebeneinander stehenden Spieler das "Tor der Liebe" bilden. Diese Zwei sollten an etwas Schönes denken während sich der Rest böse/negative Gedanken (z.B. "Geh weg!" denken) machen sollte. Dann wird der draußen Wartende reingerufen und muss ohne zu reden herausfinden, welche zwei Personen besagtes "Tor der Liebe" formen. 
  • Ein einfacher Zollstock war schließlich ausschlaggebend dafür, dass wir an unseren Teamfähigkeiten zu zweifeln begannen. Denn dieser wollte sich partout nicht auf den Boden legen lassen, wenn ihn gleichzeitig alle Gefährten berühren sollten. Letztendlich haben wir es geschafft und unseren Erfolg lautstark gefeiert.
  • Ein Apfel war Hauptgegenstand des nächsten Spiels. Dieser musste zwischen Kinn und Hals/Brustbein eingeschlossen werden und dem nächsten Mitspieler übergeben werden, ohne ihn mit den Händen zu berühren. Die daraus resultierenden Verrenkungen forderten unsere Lachmuskeln stark heraus. Gemeistert haben wir aber natürlich auch diese Aufgabe (wenn wir auch teilweise mehrere Anläufe gebraucht haben).
  • Abgeschlossen wurde unser Spieleabend, den man zweifellos als exzellente Teambildungsmaßnahme beschreiben kann, mit einem selbst zusammengestellten Tabu. Jeder von uns hat drei Begriffe (auf jeweils einen Zettel) aufgeschrieben, die in irgendeiner Weise etwas mit der Lernreise zu tun haben, demzufolge fanden sich bildungswissenschaftliche Fachtermini und Konzepte sowie Worte, die eine enge Verbindung mit Erfahrungen während der Lernreise (und mit den TeilnehmerInnen) aufwiesen, zusammen (z.B. gewaltfreie Kommunikation, Alltagspsychologie, TIMSS, Green Box, selbstgesteuertes Lernen, ...). Die Zettel wurden alle gefaltet und in einer großen Schüssel gemischt. Danach wurden drei Teams gebildet. (Wie man es aus Tabu kennt, war nacheinander ein Team dran mit Begriffe-Raten.) In der ersten Runde wurde das Wort so lange umschrieben, bis es von der eigenen Gruppe erraten wurde oder die Zeit vorbei war. Als alle Zettel "fertig geraten" waren, wurde alles zurück in die Schüssel geworfen und die zweite Runde begann. Nun mussten die Begriffe pantomimisch dargestellt werden. In der letzten Runde durfte man seiner Gruppe nur noch ein Wort/eine Assoziation als Ratehilfe sagen. Dadurch, dass man alle Begriffe aus der ersten (und zweiten) Runde kannte, gestaltete sich das Erraten als weniger schwierig als befürchtet.
Die Gruppe hat sich nach diesem letzten Spiel aufgelöst. Nach diesem ereignisreichen Tag und diesem sehr lustigen Abend waren ein bisschen Ruhe und ein erholsamer Schlaf von Nöten. Wir fielen also bald voller freudiger Erwartungen auf den nächsten Tag in die Betten, um auch den zweiten Reflexionstag energiegeladen bestreiten zu können.

Dienstag, 19. April 2016

4. Hospitation: Mali-Schule Biberach

Donnerstag, der 3. März 2016


Der Tag begann ziemlich gemütlich: Nach einem allgemeinen "bereit machen für den Tag" haben wir unsere Sachen so weit zusammengepackt und -geräumt, dass wir nachmittags nur noch alles ins Auto zu packen brauchten. Als das erledigt war, durften wir entspannt ein wunderbares, von der Schule für uns vorbereitetes Frühstück genießen! Neben Müsli, Brötchen, Brezeln sowie jede Menge Möglichkeiten zum Belegen gab es Kaffee, Tee, Milch oder Saft ebenfalls zur freien Wahl. Glücklich gesättigt warteten wir auf den Start unseres Hospitationstages. 
Begonnen hat dieser kurz darauf mit einer kleinen Einführung von Seiten des Schulleiters. Wir haben ein paar grundlegende (und ergänzende) Informationen erhalten, die wir mit in die Beobachtung des Schulalltages nehmen konnten, zum Beispiel folgende:
  • Die Mali-Schule ist nun im dritten Jahr eine Gemeinschaftsschule, allerdings ohne Grundschulstufe. Die Schülerinnen und Schüler kommen aus acht umliegenden Grundschulen und müssen sich demzufolge bewusst entscheiden, wo sie ihre nächsten Schuljahre verbringen und ihren Abschluss absolvieren wollen. Leider muss die Schule gegen ihren schlechten Ruf in der Region kämpfen. Ziel ist eine Zweizügigkeit bei den Klassen, denn dann kann man die Gegebenheiten (und Konzepte etc.) optimal nutzen. 
  • Im Alltag begegnet man immer neuen pädagogischen Herausforderungen. Eine davon ist beispielsweise Inklusion (von Kindern mit Lernbehinderung, mit geistigen Entwicklungsstörungen, ...). Die bisher einzige Schulform, die inkludiert, ist die Gemeinschaftsschule. (Ab dem Schuljahr 2016/17 werden dies auch andere Schulen tun müssen.) Inklusion geht immer auch einher mit einem Paradigmenwechsel. Bisher versuchte man im "System Schule" möglichst homogene Gruppen zu "erschaffen". Mit Inklusion (in allen gesellschaftlichen Bereichen) tauchen jedoch (neue) Fragen auf, z.B. wie man mit Heterogenität umgeht. Letztendlich muss aber jede Lehrkraft für sich wissen, wie er/sie seinen/ihren Klassenraum organisiert. Unterstützung in Hinblick auf Inklusion kann man jedoch (vor allem als SchülerIn) bei der fest integrierten Schulsozialarbeit (Sozialpädagogik, Schulseelsorge) finden.
  • Eine Besonderheit an dieser Schule sind die Vorbereitungsklassen (VKL), die der Integration von Flüchtlingen dienen sollen. Ohne Zweifel müssen dabei neue Schwierigkeiten wie Traumata oder massive Sprachprobleme bewältigt werden. Der Schwerpunkt bei diesen VKL liegt neben Deutsch auf Mathematik und Englisch (z.T. gibt es in den Klassen gleichzeitig MuttersprachlerInnen und Sprachanfänger (also welche, die noch niemals Englisch hatten)).
Nach diesen einleitenden Worten sind wir geschlossen zum ersten Teil der Hospitation aufgebrochen. Dort bekamen wir vor der eigentlichen Beobachtung des "Unterrichtsgeschehens" einen theoretischen Input bezüglich des Konzepts, mit dem gearbeitet wird. In diesen Räumlichkeiten der Schule wurde das "Stockwerkmodell" umgesetzt. Was man unter dem Stockwerkmodell versteht, ist nachfolgend kurz erklärt: 
  • Für den größten Teil der pädagogischen Arbeit wurde der Klassenverband aufgelöst. 
  • Die Türen stehen ständig offen, denn das gesamte Stockwerk wird als "Klassenraum" gesehen (daher der Name). Dies symbolisiert einen der Leitgedanken, mit denen dieses Projekt/Konzept entworfen wurde: Die SchülerInnen sollen sich wohlfühlen und die Lehrpersonen als (Lern-)Partner sehen. Man möchte Gemeinschaftsergebnisse erzielen.
  • Die Lehrkräfte bilden ein (wirkliches) Team und beraten sich regelmäßig. Gemeinsam beratschlagen und erstellen sie Wochenziele usw. Entlastung (für die Lehrperson) bringt das "Satellitenprinzip". Dabei ist ein Kollege für das Coaching/für Kleingruppengespräche, einer für eine Inputphase und einer für den Überblick im Stockwerk zuständig. Aufgrund dieser breit gefächerten Verteilung bleibt im Endeffekt mehr Zeit für die SchülerInnen, die die SchülerInnen auch (tatsächlich) als diese wahrnehmen.
  • Durch die Anwendung des Mentorenprinzips (die SchülerInnen helfen einander gegenseitig und unterstützen sich, soweit sie es können) werden nicht nur die Lehrkräfte entlastet, sondern auch diverse Kompetenzen der SchülerInnen gefördert. Ein lebendiges Beispiel dafür ist das Filmstudio ("Green Box"), bei dem man eine sehr gute und vor allem sehr selbstständige Arbeit beobachten kann. Im Vorfeld dieses Projekts wurden einige SchülerInnen als "Filmmentoren" ausgebildet. Sie bilden die Expertengruppe, an die sich andere SchülerInnen bei Fragen etc. wenden können. Bei der Arbeit in der Green Box und alles was dazu gehört geben sich die SchülerInnen gegenseitig immer wieder Feedback bis ihnen das Resultat gefällt. (Als Nebeneffekt eignet sich das Filmstudio auch gut zur Vorbereitung auf Bewerbungsgespräche und dergleichen.)
  • Ein Wochenplan, der von der Lehrperson korrigiert/durchgesehen wird, ein Lerntagebuch (mit allen wichtigen Terminen und zum Notieren von allem, was sich die SchülerInnen behalten wollen) sowie die Nutzung eines Kompetenzrasters ermöglichen ein freies, motivierendes und (relativ) selbstbestimmteres Lernen. 
Daraufhin durften wir uns völlig zwanglos durch die Räumlichkeiten bewegen. Die SchülerInnen waren sehr aufgeschlossen, wenn wir Fragen hatten und so entwickelten sich z.T. anregende Gespräche. Einblicke erhalten haben wir beispielsweise in die Arbeit im Filmstudio, das Gestalten eines großen gemeinschaftlichen Plakats, in die Vorgehensweise des Schulsanitätsdienstes und, und, und. 

Für einige von uns war die Zeit allzu schnell vorüber, da alle Interessierten die Chance hatten während der ersten Hospitationsphase, die Vorbereitungsklassen kennenzulernen. Es gibt zwei VKL-Klassen und in beide wurde uns Einsicht gewährt. Um ein wirkliches Gefühl für die Arbeit und den Alltag dort zu bekommen, hätten wir zwar definitiv mehr Zeit gebraucht, aber nichtsdestoweniger war es eine bereichernde Erfahrung. Die Jungen und Mädchen kommen aus unterschiedlichen Ländern (Afghanistan, Irak, Rumänien, Syrien). Auch wie lange sie schon in Deutschland Zuflucht suchen variiert stark (2, 4, 6, 11, ... Monate). In die Klasse kommen deshalb auch immer wieder neue SchülerInnen dazu, unter anderem deshalb haben bei Weitem nicht alle einen ähnlichen/vergleichbaren geschweige denn einen gleichen Leistungsstand. Hinzu kommt, dass sie in ihren Heimatländern unterschiedlich lange und intensiv Schulbildung erfahren haben. Viele Schicksale prallen hier aufeinander und bilden zweifellos einen "Konfliktherd", darauf muss man vorbereitet sein. Es war beeindruckend, mit wie viel Ruhe, Ideenreichtum etc., aber auch Konsequenz/Beständigkeit die Lehrpersonen, den Unterricht gestaltet haben. 

In der Pause haben wir uns gesammelt im Lehrerzimmer untereinander austauschen können, ein paar von uns haben die Gelegenheit genutzt und einen kleinen Plausch mit der einen oder anderen Lehrkraft gehalten. Bald ging es dann schon weiter mit der Hospitation in der zweiten Gebäudehälfte der Schule. Hier wird zwar nicht das Stockwerkprinzip angewendet, doch ein "starres Unterrichten" ist auch hier nicht zu finden. Gearbeitet wird relativ frei, sodass zwar im Kern die gleichen Aufgaben bearbeitet werden, aber jede Schülerin/jeder Schüler in ihrem/seinem Tempo voranschreiten kann. Die SchülerInnen sind zur Selbstständigkeit angehalten, bekommen bei Bedarf aber Unterstützung durch die Lehrperson(en). Die Aufgaben sind in kleinere Abschnitte/Teile gegliedert, ein begonnenes Teilstück muss immer beendet werden, bevor etwas Neues angefangen wird. Zwischen den möglichen Aufgabenblöcken kann prinzipiell aber frei gewählt werden. Festgehalten werden alle Ziele etc. in einem individuellen Lerntagebuch. Alle nötigen Materialien befinden sich immer in Reichweite. Jeder Klassenraum hat sich optisch unterschieden, z.B. hinsichtlich Sitzplan und Wandgestaltung. Besonders beeindruckend war die individuelle Gestaltung der Arbeitsplätze einiger SchülerInnen. 

Auch diese Hospitationsphase verging wie im Fluge und schon war große Pause. Wir haben die Zeit genutzt, um mit dem Schulleiter, dem stellvertretenden Schulleiter und drei weiteren Lehrpersonen unsere Eindrücke zu besprechen und offene Fragen beantwortet zu bekommen. Dabei haben wir viele zusätzliche Informationen zur Entwicklung der Schule, zum Tagesablauf etc. erhalten. Folgendes haben wir beispielsweise erfahren:
  • Auf die Frage, was den Schülerinnen und Schülern im Besonderen vermittelt werden soll, haben wir gleich mehrere Antworten erhalten. Zum einen wolle man den "inklusiven SchülerInnen" zeigen, was sie alles erreichen können und gleichzeitig wolle man den anderen deutlich machen, dass nicht alle gleich sind. Zum anderen möchten sie den SchülerInnen bewusst machen, dass die Lehrkräfte für die SchülerInnen da sind, also als Ansprechpartner verstanden werden sollen: dabei geht es um eine Etablierung einer Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten. Außerdem ist es den LehrerInnen wichtig, dass sie keine Fächer, sondern Schülerinnen und Schüler bzw. Kinder und Jugendliche unterrichten; das heißt, ein Ziel ist es, dass die SchülerInnen nach der Schule Anschluss bzw. ihren Platz in der Gesellschaft finden. Dazu zählt auch, dass neben einer Offenheit, auch Grenzen (von beiden Seiten) respektiert werden, sodass am Ende eine Persönlichkeit entsteht und die Schule verlässt.
  • SchülerInnen wollen auf ihre LehrerInnen stolz sein, indem man als Lehrperson z.B. seine Leidenschaft (offen) zeigt. Denn eine Lehrkraft, die gut bei den SchülerInnen ankommt, macht automatisch auch guten Unterricht. (Weil die SchülerInnen den Lehrer/die Lehrerin als Person anerkennen.)
  • Der Stockwerkunterricht entstand aus der Überlegung, wie man 40 Dienstjahre "überlebt", denn täglich gab es viele Konflikte bzw. Konfliktfelder ("ganz normale Probleme" wie z.B. massive Störungen des Unterrichts, regelmäßiges Schwänzen/Fernbleiben des Unterrichts). Natürlich sollten die Bedürfnisse der SchülerInnen an erster Stelle stehen, aber es ging auch darum, wie man als Lehrkraft allen (auftretenden) Problemen entgegen treten kann ohne dabei völlig auszubrennen (und dabei seine Persönlichkeit effektiv einsetzen kann). 
  • Konzepte wie der Stockwerkunterricht erfordern einen großen Aufwand. Letztlich ist der Stockwerkunterricht aber eher als eine Haltung zu verstehen und damit auf alle Schulformen anwendbar.
  • Als Lehrperson ist zu viel Perfektionismus nicht gut/nicht tragbar. Manche Dinge muss man einfach mal so nehmen, wie sie sind. 
  • Ein Vorsatz/Ziel ist es, die Stärken zu stärken. Auf diese Weise entwickeln die SchülerInnen von sich aus (eine Menge) Motivation. 
  • "Wo Energie ist, ist auch Wärme."
Nach diesem abschließenden Gespräch sind wir gemeinsam mit dem Schulleiter zum Mittagessen gegangen. Da die Pause beendet war, mussten wir nicht lange warten und konnten schnell unser Essen genießen. Danach haben wir noch eine kurze Führung durch die Bibliothek bekommen, die wirklich gut mit vielen (neuen) Büchern, Zeitschriften, DVDs etc. ausgestattet ist. Unser Tag an der Mali-Schule neigte sich dem Ende entgegen. Nichtsdestotrotz haben wir uns noch die Zeit für ein paar (teilweise sehr witzige) Gruppenfotos genommen, bevor wir nach Tübingen aufgebrochen sind
In Tübingen im Elternhaus von Laura angekommen haben wir erst einmal den Flur mit all unseren Taschen vollgestellt und dann von Laura eine kleine Hausführung bekommen. Nach einer Besprechung, was wir demnächst kochen wollen (und was wir dafür noch einkaufen müssen) haben wir uns ein bisschen Entspannung gegönnt. In dem großen Haus hat sich unsere Gruppe ein wenig zerstreut, aber zum Abendessen waren wir wieder vereint. Abgeschlossen haben wir den Tag mit unserer obligatorischen Teamsitzung, die nicht nur zum Revuepassieren diente, sondern auch zum Besprechen der Eckpunkte des nächsten Tages und der kommenden freien Zeit.